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Mountainbike-Medien   Mein Kommentar:
Hört man den Kollegen auf den Trails zu, dann bleibt kein gutes Haar an den MTB-Medien.
Von "Lachnummer" über "so seriös wie Bravo und Bild zusammen" bis "die Tests sind so viel Wert wie die Anzeigengröße der Hersteller" ist alles dabei.

Mein Eindruck: was in manchen MTB-Medien steht, ist nur zu gebrauchen, wenn man diese über lange Zeit und sehr kritisch und vergleichend beobachtet. Dann kann man die verstecken Hinweise zwischen den Zeilen lesen - oder lernt schlicht, dass unter Umständen lediglich die Information "Firma XY hat ein neues Teil mit diesen technischen Daten ... herausgebracht" wirklich zu gebrauchen ist. Und dass man oft erst beim Test eines Nachfolgemodells erfährt, was der Vorgänger für - in seinem Test nicht erwähnte - Schwächen hatte.
Ausdrücklich ausnehmen möchte davon das Online-Magazin Enduro-Magazin "www.enduro-mtb.com" und das Printmagazin "World of Mountainbike", die sich aus meiner Sicht im Positiven von so manchen anderen abheben.
Mein Ärger über unausgewogene Artikel in einigen anderen MTB-Medien bleibt seit meinen ersten Erfahrungen (das Hardtail als angebliches Bike für alle Trails) auf hohem Niveau. Die Redakteure - hin und her gerissen vom Druck, die Seiten zu füllen, ohne irgend einem weh zu tun - liefern immer wieder solche irreführenden Texte.
Standard ist, dass Nachteile eines Produkts ganz weggelassen oder durch massives Hervorheben der Vorteile deutlich in den Hintergrund gedrängt werden. Statt zu schreiben "das Bike ist träge" wird dann geschrieben: "das Bike ist genial stabil auf Kurs".
Wird das dann hinterfragt, bekommt man zur Antwort, man habe ja schließlich lesen können, dass das Ding vor allem im Geradeauslauf gut sei.
Mich erinnert das fatal an die üblichen Lügereien in Heiratsanzeigen, in denen gerne mal aus einer übergewichtigen Statur ein "ist zum Glück kein Hungerhaken" gemacht wird.
Mensch Leute, warum schreibt Ihr nicht einfach "das Teil ist saumäßig schwer und deutlich träger als die Konkurrenz. Die minimalen Vorteile bei der Robustheit werden nur wenige nutzen können."?

Es wird aber noch schlimmer:
Das produktfreundliche Relativieren geschieht verbösernd nicht gleichmäßig, sondern nur bei manchen Produkten / Herstellern, wobei die Auswahl bestenfalls zufällig scheint: Das macht das Abwägen durch den Leser erst recht fast unmöglich. Wo ein elementarer Schwachpunkt beim einen Produkt nicht erwähnt oder mit "eine kleine Änderung kann das ja beheben" relativiert wird, wird ein möglicher Schwachpunkt eines anderen Produkts krass herausgestellt. Das führt zu einer völlig unverhältnismäßig schlechten Positionierung zur Konkurrenz.
In meinen Augen darf so etwas der Hersteller machen oder ein klar als solcher deklarierter Kommentar in ich-Form (mit Namen des Autors dabei). Bei einem Medium finde ich das schon frech, wenn es einfach - und das auch noch fallweise - von seinen Lesern voraussetzt, dass er ja schließlich zu wissen habe, dass man hier Produkte "vorstellt" - auch wenn "Test" dabei steht.
Typisches Beispiel für die teilweise krampfhaft anmutenden Versuche, aus (fast ...) jedem Produkt etwas Tolles, ja Überlegenes zu machen, sieht man an den angeblichen Vorteilen von Hardtails. Da kann man zum Beispiel lesen, dass man sich mit einem Hardtail die "Set-Up-Orgien" erspare, die für eine gute Funktion einer Hinterbaufederung nötig seien. Tatsache ist dagegen: Das Set-Up von Fullys ist (bis auf wenige, exotische Profi-Bikes) ein Kinderspiel und macht den meisten Bikern Spaß. Es gehört zu den schönen Aspekten des Mountainbikens, dass man die Technik selbst im Griff halten kann.
Und wer das nicht mag: die Fachhändler stellen einem das Bike ja ohnehin passend ein!
Und dann sind da noch die Bike-Kumpels - die man schon fast gewaltsam davon abhalten muss, einem beim Einstellen der Federung zu helfen. Aber mit solchen Tipps spielt ein Artikel über Hardtails in einem MTB-Medium natürlich kein Geld ein. So etwas gibt man erst Preis, wenn man in einem Artikel über Fullys deren Vorteile trotz höherer Preise und aufwendigerer Technik (zu recht) erklären möchte ...

Wenn Ihr an meiner Sicht Zweifel habt: vergleicht doch mal die Texte zu unterschiedlichen Federgabeln in einem Vergleichstest. Da kann man bei der einen Gabel als super Vorteil beschrieben finden, dass man über diverse Schräubchen das Verhalten genau an seine Wünsche anpassen kann. Bei einer anderen Gabel dann die Überraschung: sie sticht anscheinend gerade dadurch heraus, dass sie eben nur wenige Schräubchen und daher kaum Einstellmöglichkeiten hätte, dafür aber sehr schnell einzustellen sei.
Schon erstaunlich.
Nicht, dass ich nicht wüsste, dass alles seine Vor- und Nachteile hat und dadurch jeder Biker überlegen kann - und muss! -, was für ihn passt. Aber das muss dann bei jedem Artikel dabei stehen, wenn ich den Anspruch habe, dem Kunden bei seiner Entscheidung zu helfen. Gebe ich bei jedem Produkt nur die jeweiligen Vorteile an, ist die Information insgesamt falsch (vor allem, wenn die Nachteile erst in einem Test anderer Produkte oder des Nachfolgemodells in einer anderen Ausgabe zwischen den Zeilen zu lesen sind). Und erst Recht falsch wird das Bild, wenn ich beim einen Produkt vor allem die Vorteile, beim anderen aber verstärkt die möglichen Nachteile angebe.
Und ja, die Hardtailfrage ist tatsächlich noch offen. Erst in der Dezember-Ausgabe 2020 einer MTB-Zeitschrift fand ich einen Text bei einem Hardtail: "Das Bike für jeden Trail".
Ich sage: das ist satte eine Lüge.
Kommentar zum Kommentar
Kommentare - krass, klar, kritisch. Auch einseitig und emotional.
Im Gegensatz zu den Redakteurinnen* darf ich das und mache das hier.

Artikel in MTB-Medien sind oft irreführend unausgewogen, lassen relevate Informationen weg und taugen daher vor allem Anfänger/innen* kaum als Entscheidungshilfe.

Dabei möchte ich aber nicht verheimlichen, dass mir in letzter Zeit außer bei "enduro-mtb.com" und "World of Mountainbike" auch bei "Bike" bisher kaum gekannte kritische Töne gegenüber Schwächen bei Produkten auffallen. Klasse.
Die Empfehlung zur Wachsamkeit bleibt natürlich grundsätzlich bestehen ;-)

Vielleicht helfen meine Tipps und Anmerkungen der einen oder anderen Leserin* bei der Sicht auf das, was sie in den Medien liest und damit auch bei ihren Entscheidungen. Wenn sie dadurch besser und mit mehr Freude das Mountainbiken erleben kann, freut mich das und erfüllt den Sinn meiner Analysen.


* - alle weiblichen persönlichen Formen gelten entsprechend auch für alle anderen Geschlechter.
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